SPÖ Desselbrunn

Möglichkeiten, wie du die SPÖ unterstützen kannst

Mitmachen

Interview mit Dr. Johann Rauscher (Langfassung)

19. Dezember 2024

Interview mit Dr. Johann Rauscher (Langfassung)

Johann Rauscher: „Mein Freund Emmanuel hat seit dem 12. Lj. Kinderlähmung. Er hat 7 Kinder, die ins Beschulungsprogramm von ProSudan aufgenommen wurden.“

 Gib unseren Lesern bitte einen kurzen Überblick: Welche   Art von Projekten fördert der Verein „Pro Sudan“ im   Sudan und Südsudan?

Momentan fördert der Verein im Norden, also dem   Sudan,  gar nichts aufgrund der politischen Situation. In   Khartum [Hauptstadt des Sudan] hat die damalige   Regierung bereits ab 2012 die Arbeit unseres   Projektpartners „St. Vincent de Paul“ blockiert, da man die   Christen pauschal für die Unabhängigkeitserklärung des   Südsudans verantwortlich gemacht hat. Das hat eine   Weiterarbeit fast verunmöglicht. Bei anderen Partnern im Norden habe ich nie Abrechnungen bekommen. Zwar weiß ich von Reisen, dass die geförderten Projekte realisiert wurden, aber das ist trotzdem ein absolutes „No Go“. Also mussten wir die Zusammenarbeit einstellen.

Also hat sich der Fokus der Arbeit auf den Südsudan verlagert?

Das war ein glatter Übergang. „St. Vincent de Paul“ hatte bereits drei oder vier Jahre davor einen Ableger im Südsudan geschaffen, daher war der Schwenk vom Sudan in den Südsudan eigentlich eine logische Geschichte.

Sind viele der christlichen Leute, mit denen ihr gearbeitet habt und die im Norden gelebt haben, mit der Unabhängigkeit in den Südsudan gezogen?

Es gab eine große Rückwanderungsbewegung, da diese Leute ursprünglich aus dem Südsudan kamen und durch den jahrzehntelangen Krieg zwischen Nord und Süd im Norden gestrandet waren. Aber das hat Jahre gedauert und viele sind auch im Norden geblieben, weil sie sich die Rückwanderung nicht leisten konnten und auch kein Land im Süden mehr hatten.

Welche Projekte fördert „ProSudan“ dann aktuell im Südsudan?

Einerseits Mobilitätsprojekte: Wir finanzieren für unsere Projektpartner Fahrzeuge. Ein weiterer Schwerpunkt sind landwirtschaftliche Projekte: In Nyarjua, 25km westlich von Juba) [Hauptstadt des Südsudan], haben wir den Bau eines Speicherteichs und von Lagerhäusern ermöglicht. Auch in Rumbek gibt es eine 3 ½ ha große Farm, zu der auch Heinrich Staudinger eine große Menge Geld beigesteuert hat. Dieses „Paradeprojekt“ läuft seit 2016 in voller Blüte. Nur einmal wurden vom solarberiebenen Brunnen die PV-Paneele gestohlen und wir mussten diese ersetzen.

Frauenförderungsprojekte unterstützen wir ebenfalls stark. In der Diözese Rumbek haben wir zwei Frauenbildungszentren aufgebaut, wo u.a. Nähkurse angeboten werden oder Marmelade produziert wird. Auch eine Ölpresse und eine Erdnussbuttermaschine hab‘ ich ihnen dafür runtergeschickt. Schließlich gibt es dort einen Friseursalon mit Photovoltaikanlage, der einerseits als Lehrsalon dient, der aber auch Geld für die Diözese erwirtschaften soll. Nähmaschinen haben wir schon jede Menge geliefert. Die meisten Frauen haben aber nicht die Ressourcen, um von den Dörfern 10 oder 20 Kilometer in die Stadt zu fahren und dort einen Nähkurs zu besuchen. Deshalb bringen wir die Nähmaschine in die Dörfer, damit die Frauen dort das Nähen erlernen und die Maschinen auch darüber hinaus gemeinsam nutzen können. Nächstes Ziel ist der Aufbau einer Seifenproduktion. Alle diese Projekte haben zum Ziel, den Frauen ein Erwerbseinkommen zu sichern.

Fördert ihr auch ganz klassisch Schulen?

Sehr stark sogar. In der „St. Theresa School“ in Juba beispielsweise, die mittlerweile zu den größten Schulen des Südsudan gehört, haben wir über die Zeit nicht weniger als 17 Klassenräume renoviert bzw. neu gebaut. Als nächstes sollen noch drei Oberstufenklassenräume geschaffen werden, damit die Schüler mit maturaäquivalentem Abschluss die Schule verlassen können. Momentan hat sie Kapazitäten für 2500 Schüler.

Heißt das, dass es dort Klassen mit über 100 Schülern gibt?

Zum Teil sind es 100. Allerdings soll die Klassenhöchstzahl jetzt auf 50 begrenzt werden.

Was unterscheidet…

Warte, ich bin noch nicht fertig. Unlängst haben wir nämlich eine Marmeladenmanufaktur im Südsudan eröffnet. Auch das ist ein Schritt zur Ernährungsautonomie des Landes: wir tragen dazu bei, dass möglichst das ganze Jahr über Nahrungsmittel aus eigener Produktion vorhanden sind. Es geht uns darum, dass sich die Menschen dort möglichst selbst ernähren können. Marmelade ist natürlich nur ein Beispiel, es geht auch um Eigenproduktion von Öl, Käse oder Getreide. Denn für Importe fehlt dem Südsudan zur Zeit schlicht das Geld.

Ich habe mir im Vorfeld auch ein paar alte Wirtschaftsdaten zum Südsudan angeschaut. Mir ist dabei eine extreme Abhängigkeit des Landes vom Ausland aufgefallen: 2016 etwa überstiegen die Importe die Exporte um das Dreifache.

Momentan sind die Exporte, die ja vor allem aus gefördertem Rohöl bestanden, komplett eingebrochen, sodass sich das Land auch kaum mehr Importe leisten kann. Grund dafür ist, dass aufgrund des Krieges im Nordsudan die Pipelines zum Meer nicht genutzt werden können – die sind schlicht zerstört. Sie sollen zwar jetzt auf Initiative Chinas, das stark in die Ölförderung des Südsudan investiert hat, in Stand gesetzt werden. Aber aktuell hat der Südsudan keine Exporteinnahmen. Das einzig Gute daran ist, dass den rivalisierenden Stämmen und Gruppen im Südsudan damit auch das Geld fehlt, um Kriege zu führen. In seiner Not hat der Südsudan quasi seine Ölförderung verpfändet – und sich die erwarteten Erlöse aller Ölverkäufe bis 2027 vorstrecken lassen.

Stichwort Kriege: Von 2013 bis 2018 lieferten sich Präsident Salva Kiir und sein jetziger Stellvertreter Riek Machar bzw. deren Stämme einen brutalen Bürgerkrieg um die Macht im Land. Du hast auch in dieser Zeit den Südsudan bereist. Wie gefährlich war das? Wie blickst du auf diese Zeit zurück?

Ja, ich war dort. Ich hab mich aber nie gefährdet gefühlt, obwohl ich weiß, dass es gefährlich sein kann. Diesen November erst haben MIVA-Mitarbeiter eine große Schießerei um die Residenz des ehemaligen Geheimdienstchefs miterlebt oder zumindest mitgehört.

Bist du als Hilfsbringer aus dem globalen Norden für die Konfliktparteien quasi tabu?

Nein, ich bin nicht tabu. Ich lasse mich schlicht auf keine riskanten Sachen ein. Meine Methode ist: Ich bin immer mit Einheimischen unterwegs und höre auf sie. Meine Partner wissen auch, wie man sich vor Ort sicher bewegt. Sie genießen als „Männer der Kirche“ eine gewisse Autorität.

Meine Freunde bzw. Kontaktpersonen sind nicht die dortigen Politiker. Einer der zentralen Partner vor Ort ist etwa Dr. Betram Gordon Kuol – ich nenne ihn nach seinem Stammesnamen immer Dr. Hakim – der Leiter der Hilfsorganisation „St. Vincent de Paul“ im Südsudan. Oder Pater Nicholas als Generalvikar der Erzdiözese Juba. Und natürlich mein besonderer Freund Bischof Taban Paride, der leider bereits verstorben ist. Solche Netzwerke sind wichtig, denn über diese Beziehungen erfahre und sehe ich sehr viel. Alleine bin ich nie unterwegs, meine Kontakte sind gewissermaßen meine Beschützer.

Du hast bereits von einer Schießerei erzählt und die Zeit seit 2018 wird ja allgemein als „brüchiger Friede“ bezeichnet. Wahlen werden immer wieder verschoben…

Zuletzt Anfang November.

Es gibt viel willkürliche Gewalt und das Regime gilt als sehr korrupt.

Das ist es zweifellos, ja.

Wie stellst du in dieser Situation sicher, dass Spendengelder nicht in falsche Hände kommen?

Wie gesagt, ich tu mich nicht mit den Politikern zusammen. Ich bin mit Leuten unterwegs – Menschen der Kirche – die für ihre Redlichkeit bekannt sind. Da weiß ich genau – und da ist auch viel Menschenkenntnis mit dabei – mit wem ich verhandle und Projekte abschließe. Projektpartner sind die Erzdiözese Juba, „St. Vincent de Paul“, die Diözese Rumbek und der Vorstand des Friedensdorfes Kuron als Nachfolger von Bischof Taban. Die Projektzusammenarbeit läuft zudem immer nach demselben Schema ab: Unser Partner muss ein Projektansuchen stellen, eine Kalkulation legen, dann erst entscheiden wir. Dann wird möglichst kostengünstig Geld geliefert oder es werden Güter bei uns eingekauft, wie z. B. im Fall der MIVA-Fahrzeuge. Meist liefern wir aktuell Sachgüter in den Südsudan.

Du sagst, du arbeitest vor allem mit kirchlichen Partnern zusammen. Im Südsudan sind ca. 60% der Einwohner Christen, 30% gehören Naturreligionen an und es gibt auch eine kleine muslimische Minderheit. Die Hilfe der kirchlichen Organisationen kommt aber nicht nur Christen zugute, oder?

Die machen keinen Unterschied. Wer zu ihnen kommt und wo man sieht, das hat eine Chance, der kriegt eine Chance.

Traditionell gibt es auch eine enge Kooperation zwischen Anhängern von Naturreligionen und Christen. Das geht auf den Krieg mit dem Norden zurück, auf den Widerstand gegen die islamische Besatzung. Wobei man vielleicht besser von arabischer Besatzung sprechen sollte – es war mehr ein Konflikt Schwarzafrikaner gegen Araber. Ansonsten verunglimpft man eine Religion und das muss nicht sein.

Ich lese dir nun ein Zitat vor. Es stammt von Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner, der auch unlängst im Südsudan war. „Im Südsudan bezweifelt niemand die Existenz der Klimakrise.“

Stimmt.

Was sind deine Beobachtungen dazu? Wie sieht die Klimakrise im Südsudan aus?

Normalerweise dauert die Regenzeit von Anfang April bis Ende Oktober. Aber als ich letztes Jahr im Südsudan war, ist den gesamten August über kein Tropfen gefallen. Folglich ist die Aussaat verdorrt. Es kann aber auch vorkommen, dass es im November – nach der eigentlichen Regenzeit, in der Erntezeit – zu Überschwemmungen kommt. Es regnet insgesamt weniger, aber vor allem kann man sich auf keinen Wetterzyklus mehr verlassen. So ist es oft unmöglich eine Ernte einzufahren. Dadurch entstehen Hungerkatastrophen. Zudem rückt die Wüste von Norden nach Süden vor.

Einerseits ist der Südsudan massiv von der Klimakrise bedroht, andererseits finanziert sich die Regierung über den Verkauf von Erdöl. Jetzt wissen wir, dass fossile Brennstoffe die Klimakrise befeuern. Beschäftigt dich auch die Frage, wie der Südsudan aus diesem Teufelskreis entkommen kann?

Am ehesten mit Exporten aus seiner landwirtschaftlichen Produktion. Denn nach wie vor ist der Südsudan ein sehr fruchtbares Land. Allerdings braucht es dazu stabile politische Verhältnisse. Damit die Leute die notwendige Bildung erhalten können und auch einfach, damit sich die Menschen überhaupt auf die Felder hinaustrauen.

Aber ich weiß, dass das aufgrund des fortgeschrittenen Klimawandels schwierig wird. Wir haben auch bereits Brunnen und Speicherteiche finanziert, um unsere Projektfarmen klimafitter zu machen.

Ich möchte zum Abschluss den Fokus vom Südsudan auf dich und deine Motivation lenken. Du engagierst dich ja nicht nur für Menschen in anderen Kontinenten, du bist auch lokal im Mauthausenkomitee und als Wortgottesdienstleiter in unserer Pfarre aktiv. Siehst du ein gemeinsames Ganzes bzw. eine Art Leitmotto, das deine vielen Engagements verbindet?

Die Wurzel, warum ich mich engagiere, ist einfach meine humanistische Grundeinstellung. Ich sage immer: Jeder Mensch hat dasselbe Recht glücklich zu sein, nicht nur ich. Was ich will, das steht auch jedem andern zu. Und dieses gute Leben will ich anderen ermöglichen.

Das klingt sehr nach der goldenen Regel.

„Was immer ihr wollt, das euch die Menschen tun, das tut auch ihnen.“ Genau. Matthäus 7,12. Das ist sozusagen mein Hauptmotiv.

Wichtig ist für mich: JEDEM Menschen. Humanismus ist universal. Es geht nicht nur um ein bestimmtes Volk. „Österreich zuerst“ oder „America first“ halte ich für geballten Unsinn und die höchste Sünde (aus christlich-humanistischer Sicht). Reiner Egoismus oder besser gesagt Gruppenegoismus ist das.

Volle Zustimmung.

Das ehrgeizigste Weltverbesserungsprogramm heißt für mich „Teilen“. Teilen heißt „sich geben“. Wir haben als begrenzte Menschen nicht die Möglichkeit, alles herzugeben. Aber ich habe erkannt: Je mehr du das Teilen in deinem Leben verwirklichst, umso mehr hast du selbst. Teilen ist das ehrgeizigste und effektivste Weltentwicklungsprogramm aller Zeiten! Das wird in der Politik und in der Wirtschaft oft vergessen. Vielleicht weil es unpopulär ist und man damit keine Wahlen gewinnt. Aber wer hat, der hat auch eine soziale Verpflichtung.

Social Media Kanäle

Besuche unsere Social Media Kanäle!